Forschung

Hydromorphologie der Seen

Neben anderen Faktoren bestimmen Relief und physische Merkmale des Seebodens, Wasserstand und Wasserbewegungen das Vorkommen und die Häufigkeit aquatischer Organismen. Diese Faktoren unterliegen dem Einfluss anthropogener Eingriffe, die dazu führen können, dass die Zusammensetzung wichtiger Lebensgemeinschaften erheblich gegenüber dem zu erwartenden natürlichen Zustand verändert ist und damit vom ‚guten ökologischen Zustand‘, einem wichtigen Umweltziel der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie abweicht. Derzeit sind die Einflüsse hydromorphologischer Faktoren weit weniger gut bekannt als beispielsweise die Folgen der Nährstoffanreicherung in Seen (Eutrophierung).

  • Ostendorp, W. (2004): New approaches to integrated quality assessment of lake shores. – Limnologica 34: 160-166.
  • Ostendorp, W., Schmieder, K. & Jöhnk, K. (2004): Assessment of human pressures and their hydromorphological impacts on lakeshores in Europe. – Ecohydrology & Hydrobiology 4: 379–395.

Erfassung und Klassifikation der Seeuferstruktur

Die Struktur eines Uferabschnitts beinhaltet die flächen- oder linienhafte Ausdehnung und räumliche Anordnung von topographischen Objekten einschließlich ihrer typischen anthropogenen Nutzung im Hinblick auf ihre Eignung als Lebensraum für eine indigene Flora und Fauna. Die Strukturmerkmale werden anhand von Luftbildern und GIS-Werkzeugen sowie von Geländeerkundungen kartographisch erfasst und klassifiziert. Daraus ergeben sich Wertziffern, die die Abweichung vom naturnahen Referenzzustand widerspiegeln.

  • Ostendorp, W. & Ostendorp, J. (2015): Analysis of hydromorphological alterations of lakeshores for the implementation of the European Water Framework Directive (WFD) in Brandenburg (Germany). – Fundam. Appl. Limnol. 186/4 (2015), 333–352.
  • Ostendorp, W. & Ostendorp, J. (2014): Hydromorphologie der Seen. – Band 2: Erfassung und Klassifikation der hydromorphologischen Veränderungen von Seen nach dem HMS-Verfahren (Anwenderhandbuch). - Fachbeiträge des LUGV, Heft 141, 236 S., hg. vom Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) Brandenburg, Potsdam

Ökologische Auswirkungen anthropogener Seeuferstrukturveränderungen

Von den anthropogenen Eingriffen in die Seeuferzone sind die viele Taxa der indigenen Flora und Fauna betroffen. Besonders ungünstig wirken sich Ufermauern aus; sie reflektieren die Wellenenergie, erhöhen die turbulenten Wasserbewegungen und sorgen für eine Vergröberung der Oberflächensedimente mit den Folgen einer stark reduzierten Phytomasse der Unterwasservegetation und einer Verringerung der Individuendichte des Makrozoobenthos. Die Auswirkungen auf viele andere Organismengruppen sind dagegen weitgehend unbekannt.

  • Ostendorp, W., Teufel, L., Hofmann, H. & Miler, O. Effect of a retaining wall and an artificial banking on water motion, litto-ral sediments, bedload transport, submerged macrophyte biomass, and macroinvertebrate community structure. In prep.
  • Ostendorp, W. (2014): Ökologische Auswirkungen von Ufermauern und Uferaufschüttungen am Bodensee-Untersee: Ergebnisse einer Expertenumfrage. - Mitt. Thurg. Naturf. Ges. 67: 85-103.

Sohltransport, Erosion und Akkumulation in der Flachwasserzone von See

Die Überreste stein- und bronzezeitlicher Kulturschichten, darunter zahlreiche UNESCO-Welterbestätten, sind durch eine Ausspülung der Sedimentdeckschichten gefährdet. Vor diesem Hintergrund werden Methoden zur präzisen Messung der Niveauänderung des litoralen Seegrunds (Erosion, Akkumulation) sowie zur Erfassung des Feststofftransports an der Gewässersohle entwickelt. Nach wie vor sind aber die treibenden Faktoren, die den Feststoffhaushalt in der Flachwasserzone steuern, nur unzureichend bekannt.

  • Ostendorp, W., Peeters, F., Hofmann, H., Schlichtherle, H. & Brem Hj. (2016): Erosion Hazards and Efficient Preservation Measures in Prehistoric Cultural Layers in the Littoral of Lake Constance (Germany, Switzerland). Conservation and Management of Archaeological Sites 18:1-3, 217-229, DOI: 10.1080/13505033.2016.1182757
  • Ostendorp, W. & C. S. Härter (2013): Sohltransport in der Flachwasserzone des Bodensees: Methodenentwicklung und erste Ergebnisse. – In: H. Brem, B. Eberschweiler, G. Grabherr, H. Schlichtherle, H.-G. Schröder (Hg.), Erosion und Denkmalschutz am Bodensee und Zürichsee, S. 79-93. Bregenz.

Paläolimnologische Entwicklung und Nutzungsgeschichte der Seeufer

Die Ufer eines Sees sind dynamische Ökosysteme, die in ihrer naturgeschichtlichen und zugleich nutzungsgeschichtlichen Entwicklung betrachtet werden müssen. Stein- und bronzezeitliche Kulturschichten in der Seeuferzone stellen wertvolle paläolimnologische Archive dar, die zusammen mit den kulturhistorisch bedeutsamen Hinterlassenschaften der „Pfahlbaudörfer“ ausgewertet werden können. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat der anthropogene Nutzungsdruck erheblich zugenommen, so dass an vielen Alpenseen kaum noch naturbelassene Ufer anzutreffen sind.

  • Ostendorp, W. (2012): Umwelt- und Nutzungswandel am Unterseeufer: Seeregulierung, Wasserspiegeltrends und Abwasserbelastung. - Mitt. Thurg. Naturforsch. Ges. 66: 63-109.
  • Ostendorp, W. (2004): Was haben wir aus dem Bodenseeufer gemacht? Versuch einer Bilanz. – Schr. Ver. Gesch. Bodensee 122: 181-251.

Röhrichtschutz und Uferrenaturierung

Verbaute und intensiv genutzte Uferabschnitte können durch wasserbauliche Maßnahmen und Nutzungsextensivierung in einen naturnäheren Zustand überführt werden, der wiederum die standörtliche Voraussetzung für naturnahe Biozönosen und eine dynamische Entwicklung ist. Die bisherigen wasserbaulichen Ausführungen und Nachnutzungen von Seeufer-Renaturierungen lassen jedoch ein weit gedehntes Verständnis der Entscheidungsträger von der „Natur“ eines Seeufers erkennen. Hier besteht ein erheblicher Forschungsbedarf, um bei Renaturierungsplanungen zielgerechte und nachhaltige Entscheidungen treffen zu können.

  • Ostendorp, W. (2009): Seeuferrenaturierung. – In: Handbuch Angewandte Limnologie, Loseblattsamml., 26. Erg.Lfg. 7/09, 64 S.
  • Ostendorp, W. (2008): Evaluierung von 90 Uferrenaturierungsmaßnahmen am Bodensee. – WasserWirtschaft 12/2008: 31–35.